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Laska

...oder: Wie aus dem größten Fehler das größte Glück wurde!

Laska Nach Rennmäusen und einer Katze fehlte mir (Nicole) nur noch ein Tier, um wirklich am Ziel meiner Träume zu sein: Ein Hund war schon seit langem ein sehnlichst gehegter Traum und es stapelten sich schon die Hundebücher. Im September 2001 überkam es mich dann plötzlich und ich sagte Ralph, dass ich in einem Jahr endlich einen Hund mein eigen nennen wollte. Er war nicht ganz so schockiert wie erwartet und ich machte mich sodann eifrig auf Wohnungssuche. Wie es der Zufall wollte fanden wir schon für Dezember eine schöne große Wohnung in einer ruhigen Wohngegend am Stadtrand mit vielen Auslaufmöglichkeiten.

Für mich war klar, dass unser zukünftiges Rudelmitglied ein schwarzer großer (so groß wie möglich) Hund sein sollte. Nach etlichen Überlegungen und dem Durchstöbern von Rassebeschreibungen war klar, dass es entweder ein junger Hund aus dem Tierheim sein sollte oder, sollten wir im Tierheim nichts passendes finden, dass ein Labrador doch eigentlich ein idealer Anfängerhund wäre.

Ich fuhr also einige Male (mal mit mal ohne Ralph) ins hiesige Tierheim und schrieb auch diverse Tierschutzorganisationen und Tierheime an, um mich nach dem geeigneten Kandidaten umzuschauen. Die Liste der Anforderungen war relativ lang: der Hund sollte ein absolut anfängertaugliches Tier sein, ohne nennenswerte Probleme (zum Beispiel Unverträglichkeit mit anderen Hunden; Abneigung gegen andere Menschen; und er sollte um Himmels Willen keinen nennenswerten Jagdtrieb besitzen, so dass er auch prima ohne Leine zu führen wäre). Und ganz, ganz wichtig war der Spieltrieb, da ich mit meinem Hund sehr viel unternehmen wollte und ein großer Teil des Tages mit Spielsessions verbracht werden sollte.

Die Wochen vergingen, ohne dass ich einen geeigneten Hund gefunden hätte. Sehr gerne hätte ich einen Schäferhundmischling aufgenommen, aber es war zu dieser Zeit wie verhext: So überfüllt die Tierheime sonst mit solchen Hunden sind, gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem ich einem ein Zuhause geben wollte, war keiner da. Die Hunde waren entweder zu alt oder hatten wirklich Macken, deren "Therapie" ich mir niemals zugetraut hätte.

Schließlich entschieden wir uns dann doch, mal bei einem Labradorzüchter vorbei zu schauen. Hier hat sich dann endlich die Lektüre etlicher Fachbücher gelohnt, denn diese Zuchtstätte war alles andere als seriös: Es waren zwei Würfe zu "besichtigen", die in einem Raum jeweils in einer großen Holzkiste saßen - und es hat zum Gotterbarmen gestunken. Offensichtlich saßen die armen Hunde Tag für Tag in diesen Boxen, ohne die Chance auf ein wenig Auslauf zu haben. Ihre Hinterlassenschaften mussten sie dann notgedrungen auch in ihrem "Nest" liegen lassen, wo wohl hin und wieder mal die Zeitung ausgewechselt wurde. Den Zuchtrüden und die Hündin zeigte man uns auch erst nach mehrmaligem Nachfragen und wir verließen diesen Zwinger wieder mit gemischten Gefühlen: Es war uns schon klar, dass wir dort keinen Hund nehmen würden, aber geschmerzt hat es schon, diese kleinen Wesen dort zurück zu lassen - bei Menschen, die sich einen Dreck um die Tiere scheren, da es ihnen nur ums Geld geht.

Ich konzentrierte mich nun erstmal wieder auf die Tierheime und andere Hilfsorganisationen. Und schon kurz nach dem Umzug in die neue Wohnung bekam ich eine Mail von Bea Urban, die in Irland eine Bordercollie Rescue hat. Laut ihrer Mail hatte sie den absoluten Traumkandidaten für uns: Ein Bordercollie (ich hatte mich schon recht intensiv mit dieser Rasse beschäftigt und obwohl sie nicht wirklich in die Kategorie der sehr großen Hunde fällt, fand ich diese Hunde einfach faszinierend). Laut der Mail handelte es sich um einen einjährigen Border-Rüden, der kinder- und katzenlieb und sehr verspielt sein sollte.

Ich war zunächst absolut begeistert, doch auch gleich schlichen sich Zweifel ein: Ist diese Organisation wirklich seriös (schließlich war Bea in Irland und brachte dann die fest vermittelten Hunde nach Deutschland) - was, wenn das alles auch nur Lug und Betrug war? Im Internet kann man ja viel schreiben, und wieviel Wahrheit dann letztlich darin liegt, kann man ja nicht wissen. Zudem wollten wir nach der Erfahrung mit dem Labizüchter kein Risiko eingehen.

Als ich noch so über den irischen Border am Nachdenken war, erblickte ich auf der Homepage eines Tierheimes meinen Traumkandidaten: Ein dreijähriger Rottweilermischling, der aus Scheidungsgründen abgegeben worden war und wohl mit allem und jedem verträglich war - und verspielt!

Laska Ich rief also gleich an und erzählte der netten Dame am Telefon, nach was für einem Hund ich suchte, wie unsere Lebensumstände sind und dass ich mich gleich in einen Vermittlungskandidaten verguckt hätte. Sie meinte, dass sie etwa fünf junge Hunde da hätten, die alle absolut und bestens für uns geeignet seien. Also wurde gleich ein Termin vereinbart, wann wir gucken kommen sollten.

Noch am selben Tag sagte ich Bea ab, da mir die Sache einfach zu unsicher war - hier in Deutschland konnten wir wenigstens selber hinfahren und uns die Hunde mal anschauen. Es vergingen einige Tage und dann war er da - der große Tag! Schon als wir ins Auto stiegen war klar, dass wir einen Hund mitbringen würden - die Frau am Telefon hatte einfach zu positiv geklungen und die lange Fahrt von Trier nach Lampertheim sollte sich ja auch lohnen.

Im Tierheim angekommen waren wir zunächst sehr erstaunt darüber, wie klein das doch alles war und wie wenige Hunde dort zur Vermittlung standen. Man zeigte uns die fünf in Frage kommenden Kandidaten (der Hund, den ich eigentlich haben wollte, war kurz vorher wohl doch schon vermittelt worden). Es war ein sehr seltsames Gefühl durch die Zwinger zu gehen mit dem Wissen, einem dieser armen Hunde werden wir heute ein neues (hoffentlich) gutes Zuhause geben. Sie alle haben sich erwartungsvoll an die Gitterstäbe gedrängt und aus vollem Halse gebellt, um ja nicht übersehen zu werden.

Nur ein Hund nicht - dieser lag zusammengerollt und einsam in einem Einzelzwinger und guckte nur traurig. Genau mit diesem Hund wollte ich spazieren gehen. Ich kann nicht mehr sagen was es war: Der traurige Blick, der zeigte, dass dieser Hund schon mit allem abgeschlossen hatte; oder die Tatsache, dass es der einzige war, der sich nicht "anbiederte" - keine Ahnung, es war einfach ein Gefühl.

Wir gingen also mit Julia (so hieß dieser Hund) eine Runde raus und erlebten nichts spektakuläres: Sie interessierte sich weder für ihre Umgebung, noch für ein angebotenes Stöckchen. Auf unsere Fragen hin, ob sie jage, sich mit Hunden verstehe und verspielt sei, bekamen wir nur die Antworten, die wir hören wollten. Also nahmen wir sie mit (eigentlich wollte ich noch mit einem Bordermix spazieren gehen, aber man riet uns davon ab, noch einen Hund zu "testen", da dies die Entscheidung nur noch schwerer mache).

So fuhren wir also mit Julia (die schon im Auto in Laska umgetauft wurde) gen Heimat. Ich hab die ganze Autofahrt neben ihr auf der Rückbank gesessen und permanent ihr ekelerregend schmutziges Fell gekrault - ich konnte es einfach nicht fassen: Endlich ein Hund, jetzt wird das Leben erst richtig schön!


Die ersten Tage verliefen recht enttäuschend: Laska war durch nichts dazu zu bewegen irgendeine Emotion zu zeigen - sie lag den ganzen Tag zusammengerollt in einer Ecke und guckte traurig. Sie ging zwar gerne mit spazieren, aber an Spielen war gar nicht zu denken.

Laska Dann stellte sich auch noch heraus, dass sie eine schwere Magen-Darmerkrankung hatte. Wir waren fest der Meinung, dass sich schon noch alles zum Besseren wenden würde, wäre sie erst einmal von ihrer Krankheit kuriert. Dem war leider nicht so - im Gegenteil: Je mehr sie auftaute, desto mehr Macken kamen durch: Andere Hunde konnte sie auf den Tod nicht leiden; Menschen mit Spazierstock wurden gnadenlos verbellt und angeknurrt; Fahrradfahrer, Jogger, Motorräder und vor allem Autos mit Anhänger wurden soweit die Leine reichte gejagt und ich landete mehr als einmal auf dem Bauch, weil Laska einen Blitzstart hinlegte, weil sie irgendwo ein Kaninchen gesehen hatte. Anrufe im Tierheim diese Probleme betreffend waren wenig hilfreich, weil man dort nur meinte, dass sich diese Probleme schon wieder legen würden, hätte sie sich erst einmal eingelebt. Nach kurzer Zeit wurde sie dann wieder krank - diesmal musste sie zweimal operiert werden, weil sie mehrere Tumore im Maul hatte.

Die Stimmung bei uns wurde immer schlechter. Ich war todtraurig darüber, wie Laska sich verhielt und entschloss mich schließlich, eine überteuerte Hundeschule aufzusuchen, in der Hoffnung, dass man mir helfen könne. Diese Annahme war jedoch falsch, wie sich herausstellte: Der Hund sei nun mal verkorkst und ich hätte keine Wahl, als sie von anderen Hunden fern zu halten - ändern könne man daran nichts mehr.

Ziemlich frustriert kündigte ich bald der Hundeschule und investierte das Geld lieber in Fachliteratur zu Hundeverhalten und Problemhunden. Irgendwie haben wir uns dann auch zusammengerauft und die Gelegenheiten, bei denen sie mich dann bäuchlings hinter sich her durch die Weinberge zog, wurden immer weniger. Ich schaffte es dann auch recht schnell, ihr begreiflich zu machen, dass es immer Leckerchen gibt, wenn man sich hinsetzt wenn Jogger und Radfahrer kommen - aber wirklich gut war das ja alles noch nicht.

Irgendwann entdeckte ich dann einen Agilityverein in der Nähe und entschloss mich, meine Zicke dort mal vorzustellen und mir das Training mal genauer anzuschauen. Prinzipiell ging es mir vorrangig darum, möglichst oft mit Laska anderen Hunden in einem geregelten Rahmen zu begegnen, damit sie lernt, sich trotzdem auf mich zu konzentrieren. Die Rechnung ging auf - nach ca. 13 Monaten kann sie nun sogar mit den anderen Hunden ohne Leine auf dem Platz laufen, dank Clickertraining spielt sie sogar begeistert mit dem Bällchen, sie macht ihre Sache beim Agility sehr gut und sie kann an übersichtlichen Stellen sogar ohne Leine laufen. Und obwohl mein Hund ja laut professioneller Hundeschulmeinung absolut asozial ist, gab es mit ihr und Pearl von Anfang an keinerlei Probleme.

Klar gibt es immer wieder Situationen, die mich an den Rand der Verzweiflung bringen, da ich nicht weiß, woher beispielsweise irgendwelche Panikattacken kommen, aber ich bin mir sicher, dass wir auch das hinkriegen. Laska ist nun mal ein Hund mit Vergangenheit - dass es keine schöne Vergangenheit war, haben wir durch viel Recherche auch rausbekommen (sie stammt eigentlich aus Kreta, wo sie sich als Straßenhund durchboxen musste; eine Zeit lang hat sie allein im Wald gelebt und man weiß, dass sie dort auch sehr erfolgreich gewildert hat; dem Gifttod ist sie dadurch entronnen, dass sie durch eine Tierschutzorganisation nach Deutschland gebracht wurde, wo sie (bevor sie zu uns kam) schon dreimal vermittelt war).

Dieser Hund hat schon viel hinter sich gebracht und nun ist es unsere Aufgabe ihr zu zeigen, dass das Leben mehr zu bieten hat als ständige Angst. Laska hat mir wieder einmal gezeigt, dass man durch ein Höchstmaß an Geduld viel erreichen kann. Und auch, wenn ich in den ersten 11 Monaten wegen ihr fast verzweifelt bin und sie auch heute noch viele Geheimnisse in sich trägt und mir diverse Probleme bereitet - ich möchte diesen Hund nicht mehr missen. Es ist für mich das größte Glück, jeden Tag ihre Fortschritte zu sehen - sie hat mir gezeigt, dass man nie aufgeben darf und dass es sich tatsächlich nicht lohnt, ohne Hund zu leben!

20. Juli 2012

Nach über 10 wundervollen Jahren hat unsere gemeinsame Reise leider ihr vorläufiges Ende gefunden und wir mußten Laska gehen lassen. Sie ist aus dieser Welt gegangen, wie sie ihre Zeit bei uns verbracht hat: Würdevoll, ruhig und über den Dingen stehend. Ich werde unsere gemeinsame Zeit niemals vergessen und bin dankbar dafür, dass dieser großartige Hund mir so viel beigebracht und Liebe geschenkt hat. Das große Glück, seinen 'Seelenhund' zu finden hat bestimmt nicht jeder - ich habe das große Los schon beim ersten eigenen Hund gezogen. Mein 'only once in a lifetime' Hund hinterlässt eine große Lücke, aber die vergangenen Jahre waren jede Sekunde wert. Wir haben soviel gelacht, erlebt, gekuschelt und so viele wundervolle, innige Momente miteinander genießen dürfen... ich weiß, dass für mich niemals wieder ein solch treuer Gefährte kommen wird und ich werde ihr Andenken auf ewig hochhalten.

Laska hat mir gezeigt, dass ein Hund mit Vergangenheit und einer schwierigen Anfangsphase zum absoluten Traumhund reifen kann, wenn man ihm nur genügend Zeit lässt und an der Beziehung arbeitet. Sie hat mir tagtäglich gezeigt, wie sehr sie mich liebt und ich hoffe, ich konnte ihr dasselbe Geschenk machen. In meinem Herzen wird sie weiterleben und ich danke ihr für alles, das sie mir beigebracht hat und für das grenzenlose Vertrauen, dass sie mir bis zum Schluß entgegenbrachte. Mein letztes Geschenk an sie war, sie von ihrem (zum Glück kurzen) Leiden zu erlösen und bei ihr zu sein und ich hoffe inständig, dass nach dem Leben irgendetwas kommt, das mich eines Tages wieder mit ihr zusammenbringen wird.

Laska, ich danke dir für alles!



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